Entstehung jüdischer Familiennamen
Bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts hatte ein Großteil der jüdischen Bevölkerung noch keinen Familiennamen. In den Quellen erscheinen neben einnamigen Personen auch solche, die durch eine Namenzusatz näher unterschieden wurden. Item so sol der Ysaak geben 32 ½ LB, heißt es in einer Regensburger Urkunde 1355, die die Zahlungsverpflichtungen der dort ansässigen Juden betrifft. Als weitere Beispiele für Nennungen jüdischer Personen im spätmittelalterlichen Regensburg lassen sich HŒSCHEL ARONS SUN, DAVITT JUD, MOYSES DER JUD VON EGER, DER MÆNDEL VON LANTZHUT, NOACH VON PILSEN, MOESCHEL IN MAISTER JACOBS HAUS, DAVIT DER CHÆUFFEL [HÄNDLER], ISRAHEL AUGENARTZT, JOSEPP SCHULMAISTER, ABRAHAM FLEISCHHAWER [FLEISCHER], DER HABNIHT, DER LANG ABRAHAM, DER TAUB ABRAHAM anführen.
Nachdem die jüdische Bevölkerung gegen Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Rechte ihrer christlichen Mitbürger erhalten hatte, wurde von staatlicher Seite eine Anpassung an die landesübliche Namenführung verlangt. Entprechende Verordnungen zur Annahme eines Familien-
namens wurden z.b. 1787 in Österreich, 1812 in Preussen, 1813 in Bayern, erlassen. Dadurch entstand für viele jüdische Bürger die Notwendigkeit, einen Familiennamen zu wählen. Im wesent-
lichen wurden die Familiennamen auf die gleiche Weise gebildet, wie die üblichen Familiennamen ihrer christlichen Umgebung. Viele jüdische Familiennamen gehen auf Rufnamen zurück wie Abraham, David, Mendelssohn (Mendel = Immanuel + -sohn). Der heräische Rufname Baruch (der gesegnete) wurde ins deutsch (Selig, Seligmann) oder ins lateinische (Benedikt) übersetzt. Familiennamen wir Moser, Arend(t) wurden wegen des Anklangs an Moses bzw. Aaron gewählt. Familiennamen aus Ortsnamen (Berliner, Mainzer, Oppenheim(er)) sind besonders stark vertreten. Für die Wahl war allerdings nicht immer der Herkunftsort ausschlaggegend. In Frankfurt beispielsweise spielten die Häusernamen (Rothschild) eine wichtige Rolle. Familiennamen wie Coh(e)n/Kohn (Priester) stammen aus dem religiösen Bereich. Eine besondere Gruppe stellen wohlklingende Familiennamen wie Lilienfeld, Rosenbaum etc. dar. Ähnliche Namen, die offensichtlich dem Zeitgeschmack entsprachen, werden auch häufig von Gestalten der damaligen Literatur getragen.
QUELLE: DAS GROßE LEXIKON DER VOR- UND FAMILIENNAMEN
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